Zum mittlerweile 7. Mal feiern die Kirchengemeinden Adendorf und Lüne im Sommer eine Reihe von Themengottesdiensten. Die werden abwechselnd an beiden Orten in jeweiliger Zuständigkeit für beide Gemeinden gefeiert und stehen diesmal unter dem Motto: Von Sinnen... Die verschiedenen Sinne vermitteln unterschiedliche Zugänge zu Gott und der Welt - und nicht zuletzt auch zu uns selbst. Lassen Sie sich überraschen - und seien Sie herzlich willkommen!
Gehorsam hat einen schlechten Ruf. Wer Gehorsam übt, steht im Verdacht, so zu tun, als könne man Verstand und Gewissen an die Mächtigen und Wissenden delegieren - an die, denen man mehr zutraut als sich selbst und denen man an Motivation, Argumenten oder Durchsetzungsfähigkeit unterlegen ist. Die Verantwortung gebe man damit praktischerweise auch gleich mit ab. Schuld seien ab sofort die anderen, wenn wider Erwarten irgendetwas nicht so läuft, dass man es auch im Nachhinein noch gut heißen könnte - dann nämlich, wenn sich die moralische Stimmung in der Gesellschaft oder die politische Großwetterlage mal wieder gedreht hat. Wer Gehorsam zu einer Tugend erhebt, muss damit rechnen, dem Lager der ewig Gestrigen zugeordnet zu werden, die sich dem Prinzip "Führer befiehl! Wir folgen..." verschrieben hätten. Allerdings gilt diese Zuschreibung in weiten Teilen unserer Gesellschaft nur dann, wenn es gerade zweckdienlich ist - um missliebige Zeitgenossen zu diskreditieren und ihnen mit bösen Unterstellungen zuleibe zu rücken; sollen Sie doch sehen, wie sie sich daraus wieder frei strampeln... Dass in vielen Zusammenhängen Anpassung erwartet und Widerspruch keineswegs honoriert wird, wird gerne ausgeblendet. Das gilt in betrieblichen und Verwaltungshierarchien ebenso wie in Parteien, die sich sonst ihrer Liberalität rühmen. Wer nicht spurt, wird wieder auf Spur gebracht oder aussortiert - in der Regel stillschweigend, manchmal auch spektakulär. Der Erwartungsdruck wächst. Und die Spielräume werden enger... Die Alternative dazu - so könnte man meinen - müsste eigentlich freie Entscheidung in gewissenhafter Verantwortung heißen. Aber weit gefehlt. Die gleichen Leute, die beim politisch-weltanschaulichen Gegner stumpfe Herdenmentalität und Unterwerfungsrituale ausmachen, sind sich nicht zu schade, selbst Gehorsam zu fordern für gesellschaftliche Maßnahmen, die ihnen persönlich einleuchten. Dass sie auch anderen einleuchten müssten, um mehrheitlich geteilt zu werden, erscheint da als lästiger Umweg. Abweichende Überzeugungen werden deshalb gerne auf einen Mangel an Aufklärung zurückgeführt. Wer genug weiß und verstanden hat, wird die Dinge ja gar nicht anders sehen können, als man selbst. Und wer störrisch auf einer anderen Einschätzung der Sachlage, auf anderen Schlussfolgerungen und anderen Zielen beharrt, muss halt zu seinem Glück gezwungen werden - mit Gesetzen und Verordnungen, mit Steuern, Bußgeldern und Strafen, flankiert von einem unaufhörlichen Strom an tendenziösen Beiträgen auf allen verfügbaren Kanälen. Der Effekt ist ein zweifacher, wie sich hierzulande an den verschiedensten Themen ablesen lässt: Eine große Zahl an Zeitgenossen lässt sich durch einseitige Information doch irgendwann überzeugen, viele weitere passen sich an, wagen nicht mehr aufzumucken und verhalten sich erwartungsgemäß. Und eine hartnäckige Minderheit widerspricht. Dass darunter immer auch Leute sind, die fragwürdige Beweggründe und Ziele für ihren Widerstand haben oder nicht weniger fragwürdige Argumente und Umgangsformen, lässt sich trefflich verwenden, um den Widerstand insgesamt zu diskreditieren, zu brechen und schlussendlich zu marginalisieren. Dass es solche Leute auf allen Seiten gibt, wird gerne unterschlagen. Erlaubt ist, was den eigenen Interessen dient. Allerdings wird so ein Anpassungsdruck erzeugt, der auf Konformismus zielt - m.a.W. auf vorauseilenden Gehorsam. Auch klassischen Gehorsam gab es übrigens stets auf der Basis von Überzeugung oder Taktik. In dieser Ausgangslage hören wir den Monatsspruch für den Juni 2021 aus der Apostelgeschichte 5,29: "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen." Wer den Gehorsam gegenüber Gott höher gewichtet als den Gehorsam gegenüber Menschen, muss wissen: Vor Gott ist jedes Taktieren ohnehin zum Scheitern verurteilt. Gehorsam gegenüber Gott - nicht zu verwechseln mit Gehorsam gegenüber einer zeitweise mächtigen Kirche - kann es nur auf der Basis einer Glaubensüberzeugung geben. Es geht nicht darum "Männchen zu machen", wie ein entsprechend dressierter Hund - es geht um Einklang mit dem, was uns als Wille Gottes erscheint. In der Nachfolge Jesu ist das offen - aber nicht beliebig - zu interpretieren. Sein beispielhaftes Reden und Tun zeigt, worum es geht: hingebungsvolle Liebe in der Zuwendung zu allen Menschen in ihrer Bedürftigkeit. Leicht ist das nicht. Gehorsam unter diesen Vorzeichen, hat weniger das Problem der Verantwortungslosigkeit als vielmehr das der Überforderung. Barmherzigkeit mit allen, die sich auf diesen Weg einlassen, ist deshalb unerlässlich - auch Barmherzigkeit mit sich selbst. Wir werden immer wieder scheitern. Aber Gehorsam beginnt mit dem Horchen und Hören. Alles weitere wird sich ergeben, wenn daraus eine Überzeugung entstanden ist, die zur Tat drängt...
Der 5. Sonntag nach Ostern trägt den Namen Exaudi (= Höre!). Das ist eine Anspielung auf Psalm 27,7, wo es heißt: "HERR, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und antworte mir!" Dass auch wir manchmal gut daran tun, zuzuhören und zu erhören, worum wir gebeten oder was uns geraten wird, ahnen wir. "Kind, du musst mehr trinken!" Diese Aufforderung kennen wir. Aber im Blick auf den Predigttext geht es nicht so sehr um Wasser. Worum dann? Lassen Sie sich überraschen!
Aufgrund der kalten und nassen Witterung findet der Himmelfahrtsgottesdienst in der Emmauskirche statt - die Uhrzeit bleibt: 11:00 Uhr. Aufgrund der aktualisierten Corona-Verordnungen des Landes und der Empfehlungen der Landeskirche dürfen in Kirchenräumen allerdings nur noch maximal vier Bläserinnen und Bläser gleichzeitig musizieren. Die Gospelsektion wird in einem späteren Gottesdienst zum Einsatz kommen. Wir sind froh darüber, wie flexibel alle Musikerinnen und Musiker mit der ständig sich verändernden Verordnungslage umgehen.
"Das Schweigen der Lämmer" verweist im gleichnamigen Film auf die schreckliche Ahnung eines kleinen Mädchens, was mit ihren geliebten Lämmern passiert sein mag, deren vertrautes Blöken eines Tages nicht mehr zu hören ist - eine Ahnung des Todes, der erst später das Begreifen folgt und der Reflex, die Schwachen, die Opfer zu beschützen. Es bleibt das tiefe Trauma, an das sie im Gespräch mit dem Psychotherapeuten und Psychopathen Hannibal Lecter ebenso sadistisch wie hilfreich herangeführt wird. Und dieses Trauma dürfte für ihre Berufswahl als Bundespolizistin entscheidend gewesen sein, wenn auch unbewusst. - Trauma und Berufung liegen manchmal näher beisammen, als uns lieb sein mag. Damit aus Schwächen keine Wunden und aus Schwachen keine Opfer werden, sind die Starken nötig, deren Stärke nicht mit Härte aufrecht erhalten werden muss, sondern Empathie einschließt, Einfühlungsvermögen. Der Schlüssel dafür heißt Selbsterkenntnis. Das schließt zweierlei ein: 1. ein Bewusst-Werden bzw. Sich-Bewusst-Machen der eigenen Mängel, Schwächen und wunden Punkte - und 2. ein Bewusst-Werden bzw. Sich-Bewusst-Machen der eigenen Fähigkeiten, Stärken und Ressourcen. Wo die eigenen Schwächen keine Panik mehr auslösen und das Sicherheitsbedürfnis ins Unrealistische wachsen lassen, da werden die eigenen Stärken wirksam - und frei für diejenigen, die Hilfe bitter nötig haben, mehr noch: die einen Anspruch darauf haben, dass ihnen Recht widerfährt und das herrschende Unrecht eingedämmt wird. Dazu sind wir berufen, unseren Mund aufzumachen für die Schwachen und Bedürftigen - ganz spontan dort, wo es einen Anlass gibt; und ganz systematisch dort, wo das Unrecht zur Gewohnheit geworden ist und in den bestehenden Verhältnissen seinen Niederschlag gefunden hat. Beides ist möglich. Und beides ist nötig. Sich nicht unter Berufung auf aktuelle Hilfen um die Verbesserung der Rahmenbedingungen zu drücken und umgekehrt nicht unter Berufung auf langwierige strukturelle Veränderungen vor aktuellen Hilfeleistungen - darum geht es, auch heute noch...
Wer eine Idee von Gott hat, hat auch eine vom Menschen. Die Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit des Menschen ist alt. Sie findet sich im jüngeren Schöpfungsbericht im Buch Genesis, aber auch im Kolosserbrief des Neuen Testaments, aus dem der Monatsspruch für den April 2021 stammt. Man darf diese Vorstellung nicht überstrapazieren. Sie enthält eine gewisse Unschärfe. Aber diese Unschärfe ist kein Mangel, sondern ein sprudelnder Quell der Assoziationen und Erkenntnisse. "Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau." So heißt es im 1. Buch Moses 1,27. Man kann das so verstehen, dass nicht so sehr im einzelnen Menschen erkennbar oder zumindest erahnbar wird, wie Gott ist, sondern in der Ergänzung von Mann und Frau, in der Beziehung zueinander, in der Verbindung, aus der Neues entsteht. Dieses dynamische Verhältnis von Männlichem und Weiblichem hätte sich schon seit langem gegen eine patriarchalische Verkürzung des Gottesbildes wie auch der Gesellschaftsordnung wenden lassen. Doch es gab dominierende Interessen, die eine solche Deutung nicht zugelassen haben. Allerdings erscheint aus dieser Sicht auch eine Genderdebatte in einem kritischen Licht - eine perfide Debatte, in der zunächst männliche und weibliche Rollenzuschreibungen als Konstrukte entlarvt werden, um nach erfolgreicher Debatte eine prinzipiell unbegrenzte Palette von Geschlechterkonstrukten auf der Basis des individuellen Selbstverständnisses einzuführen und alsdann eben diesen Konstrukte als unhinterfragbare Realitäten gegen jede kritische Betrachtung zu immunisieren. Und wieder sind es dominierende Interessen, die ein offenes Gespräch verhindern - unter Berufung auf eine Toleranz, die nur gefordert, aber umgekehrt nicht gewährt wird. Einen herrschaftsfreien Dialog über diese (und andere) Fragen gibt es kaum, kann es womöglich auch nicht geben - allenfalls als Momentaufnahme. Anlass für eine solche Momentaufnahme ist der Blick auf Jesus von Nazareth. Für den Autor Franz Alt war er "Der erste neue Mann". Die weltanschauliche Reise ist seitdem weitergegangen. Aber nach wie vor sprengt dieser Jesus die Geschlechterklischees und bietet sich so immer wieder als Projektionsfläche an für neue Rollenvorstellungen und Überlegungen zu Identitätsfragen. Ihn als Christus zu bezeichnen, als Messias, als den, der die Gegenwart Gottes verkörpert, das heißt, den unsichtbaren Gott sichtbar zu machen - exemplarisch für alle, die sich mit ihm identifizieren und ihm nachfolgen. Und so, wie im 1. Kapitel des Buches Genesis auf den o.g. Vers die Bestimmung des Menschen zur Nutzung, Gestaltung und Bewahrung der Schöpfung folgt, so ist im Kolosserbrief, Kapitel 1, Vers 15, Christus nicht nur das Bild des unsichtbaren Gottes, sondern der, an dem deutlich wird, wozu wir bestimmt sind. Er ist der Erstgeborene der ganzen Schöpfung, der Urtypus, an dem sich alle orientieren sollen, die ihrer Bestimmung gerecht werden wollen. Und wo immer das gelingt, wird - und sei es nur für einen Moment oder unter einem speziellen Blickwinkel - die Gottebenbildlichkeit des Menschen deutlich...
Jesus ritt auf einem Eselsfohlen den Ölberg in Richtung Jerusalem hinunter. Dazu heißt es nach Lukas 19,36-40: "Als er nun hinzog, breiteten sie ihre Kleider auf den Weg. Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien." Wer heutzutage den Mund aufmacht, muss seine Worte mit Sorgfalt wählen - jedenfalls dann, wenn sie nicht einem - ausgerechnet im Namen der Toleranz - immer intoleranter auftretenden Mainstream entsprechen. Dass Jesus und sein Jüngerkreis keineswegs auf der Linie der mächtigen Gruppen ihrer Zeit lagen, dürfte nach der Lektüre der Evangelien überdeutlich sein. Schon allein deshalb sollte eine Kirche, die sich zurechtfabuliert, für wen und gegen wen Jesus heute aufstehen und eintreten würde, sich selbst gegenüber misstrauisch werden, wenn sie sich dabei ertappt, mit dem Mainstream zu schwimmen, gegen den sich Jesus immer wieder verwahrt hat. Sobald Behauptungen mit politisch motiviertem Wahrheitsetikett versehen sind, wird ihre Hinterfragung zum Tabu. Daran hat sich seit damals kaum etwas geändert.* Im Blick auf die Botschaft der Kirche, die sich auf den Spuren der Jünger Jesu bewegt, fällt auf: Im Vordergrund steht vielfach nicht mehr das Lob Gottes, das sich mit dem Blick auf Jesus als Vorbild und Gegenstand dieses Gotteslobes verbindet. Die Bekenntnisfrage ist offenbar nicht mehr die Christusfrage, die eher verschämt im Hintergrund bleibt, wo sie in einem Maße marginalisiert wird, dass man sich fragen muss, ob man sich wirklich noch in einem Traditionszusammenhang mit der frühen Christenheit befindet. Stattdessen wird die Bekenntnisfrage eher ausgerufen im Blick auf eine Reihe von politischen Positionen, in denen eine opportunistische Nähe zum Zeitgeist bzw. zur herrschenden Meinung gesucht wird. Diese werden dogmatisch gesetzt und mit moralischem Überlegenheitsanspruch vertreten. Und wer hier eine andere Sichtweise vertritt, muss mit sozialen Konsequenzen rechnen, die längst überwunden geglaubten Zeiten zu entspringen scheinen. Dass der christliche Glaube sich gerade im Einspruch gegen die Gesetzlichkeit, das spirituelles Statusbewusstsein und Leistungsdenken, sowie gegen die unbarmherzige Definitionshoheit führender Kreise herauskristallisiert und bewährt hat, gerät völlig aus dem Blick. Die vergebungsbereite Barmherzigkeit und heilsame Zuwendung Jesu lädt gerade nicht zum Eifern und Geifern ein, sondern zielt auf das Lob des liebenden Gottes. Eine Kirche, die das Prinzip dieses Glaubens durch Moralismus ersetzt und um der Einigung mit anderen Gruppen des politischen Mainstreams willen auf das Zeugnis der Gotteserfahrung als Ursprung und auf das Gotteslob als Ziel verzichtet, befindet sich auf gefährlichen Abwegen... Es geht beim christlichen Glauben nicht um politische und nicht um moralische Richtigkeiten. Wenn aber das Eigentliche und Wesentliche verschwiegen wird, müssen die Steine schreien.
Die Legitimität jeder Ordnung beruht auf Zustimmung, ihre Durchsetzung auf Gewalt - angedrohter und ausgeübter, eigenmächtig proklamierter oder von außen angetragener, auf gebündelte Macht gegründeter oder durch mehrheitliche Akzeptanz legitimierter Gewalt. Das gilt auch für die Durchsetzung der Ordnung gegenüber denen, die diese in Frage stellen oder wie auch immer dagegen aufbegehren. Der formale Nachweis der Legitimität einer Ordnung geschieht durch Verweis auf einen repräsentativen und konstitutiven Konsens, sowie durch die Wahrung daraus abgeleiteter Verfahren. Dabei gerät das Bemühen um Rechtfertigung durch Gerechtigkeit allzu leicht in den Schatten der Selbstrechtfertigung und schließlich der Selbstgerechtigkeit. "Wir" haben immer Recht - wobei das von jeder beliebigen Institution, Organisation und Bewegung in Anspruch genommen werden kann und oft genug wird. Das ist konfliktträchtig. Zur Zähmung der Gewalt und zur Eindämmung ihrer Tendenz zur Eigenmächtigkeit herrscht hierzulande Gewaltenteilung - eine großartige Idee, der eine zweifelhafte Praxis folgt, weil Interessenverflechtungen niemals gänzlich aufzudecken und auszuschließen sind. Doch aus dem Blick geraten dabei allzu leicht auch ganz andere gleichzeitig und nach eigenen Gesetzmäßigkeiten wirksame Mächte - wie z.B. Wirtschaft, Wissenschaft und Medien. All deren Ziele und Interessen oder auch nur die relevantesten zu durchschauen ist kaum möglich - und sich der eigenen bewusst zu werden ist leider kaum weniger schwer. Verflechtungen und Verpflichtungen der drei Gewalten wie der genannten und manch ungenannter Mächte wecken berechtigte Zweifel an dem, was der interessierten Öffentlichkeit als optimal, kontrollierbar und notwendig, womöglich gar alternativlos vermittelt wird - einer disparaten, heterogenen Öffentlichkeit übrigens, die 1. eigene, oft nicht bewusste Interessen hat, 2. unter einem eigenen Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leidet (in dieser Metapher kommt neben der eher für Trägheit und Ignoranz anfälligen auch die für Übererregung und Aktivismus bekannte Version infrage) und 3. für Manipulationen verschiedener Art anfällig ist. Denn Vernunft und Erfahrung lehren: Zielstrebigkeit macht manche Menschen mindestens genauso wendig wie die Not, für die stets nach Wegen der Erleichterung von Lasten und der Linderung von Schmerzen gesucht wird. Nicht nur die Not macht also wendig im Sinne von ultraflexibel, kompromissbereit und trickreich, sondern auch die Gier - bzw. der Versuch, den eigenen Vorteil zu erlangen und zu wahren. Wenige Wochen vor der Corona-Krise bzw. deren Eskalation bei uns, sind folgende Sätze in einer Predigt gefallen - Sätze, in denen ein grundsätzliches Problem (nicht nur) unserer Gesellschaft deutlich wird, das an Aktualität und Brisanz seither leider nichts eingebüßt hat:
"Allerdings müssen wir auch mit denen rechnen, die ein Interesse haben, uns Dinge vorzuenthalten, weil wir die ihrer Meinung nach falschen Schlüsse daraus ziehen könnten, Menschen, die uns die Dinge so sehen lassen wollen, wie sie selbst sie sehen, und auf keinen Fall anders. Um solche verborgenen, unsichtbaren Interessenlagen aufzuspüren, gibt es zwei gute Ratschläge: Der erste lautet: Folge der Spur des Geldes! Wer profitiert finanziell von dem, was der Öffentlichkeit da mit Zuckerbrot und Peitsche vermittelt wird. Der zweite Wink mit dem Zaunpfahl lautet: Wer hat ein Interesse an Machterhalt oder Machtgewinn? Wer solch ein Interesse hat, wird alles tun, um die eigene Sicht der Dinge plausibel, ja unausweichlich darzustellen und eine abweichende Sicht der Dinge als abwegig und gefährlich, ja verheerend zu brandmarken. Wenn das allzu offensichtlich passiert, stolpern Menschen darüber. Und so lange das zu durchschaubar ist, wird sich davon niemand nachhaltig beeindrucken lassen. Aber wenn erst genügend Angst gesät ist, wenn die Hoheit über die Meinungsmache und Stimmungslage errungen ist, wird es immer schwerer, die Zusammenhänge zu durchschauen, die Interessengeflechte zu entlarven und die Widersprüche aufzudecken oder das Anlegen völlig ungleicher Maßstäbe. Dann wird jede ernsthafte Form anderer Denkansätze, Überzeugungen und Zielsetzungen geächtet, ausgegrenzt und diffamiert – so lange, bis eine Ordnung der Dinge hergestellt ist, die keinen Widerspruch mehr duldet. Aber wie das Verdrängte im Leben der Einzelnen in ihren Alpträumen aufbricht, bis sie davor nicht mehr die Augen verschließen, sondern sich ihm stellen und sich ernsthaft damit auseinandersetzen, so bricht das Verdrängte einer Gesellschaft auf in den Alpträumen schwindender Freiheit und Sicherheit, in beunruhigenden Vorahnungen der Unterdrückung Andersdenkender wie in den Ereignissen, die uns alle aufschrecken lassen. Wer daraus allerdings die Konsequenz zieht, die Schwarz-Weiß-Malerei nur umso intensiver zu betreiben, hemmungslos Schuldzuweisungen vorzunehmen und die eigenen Anteile zu leugnen, darf sich nicht wundern, wenn die Spirale von Verdrängung und alptraumartigen Aufbrüchen immer mehr eskaliert."