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Presto alla tedesca - Julius Lehmann spielt Beethoven

Mon, 04 May 2020 12:58:47 +0000 von Michael Kranzusch

Ludwig van Beethoven - Sonata No. 25 in G major, Op. 79 - 1. Satz: Presto alla tedesca
(Schnell auf deutsche Weise - Diese am ehesten augenzwinkernd zu verstehende Satzbezeichnung lädt zu Spekulationen ein: kein rasendes Tempo, aber verlässlich treibend, fast schon schnell, aber eben nur fast, und an manchen Stellen vorwitzig, voreilig, um dann unbeirrbar weiterzumachen... All das könnte man hier hineinlesen oder heraushören. - Was daran typische deutsch ist, und was daran unsere aktuelle Situation spiegelt, bleibt denen überlassen, die Ohren haben zu hören...)

Noch ein bisschen im Schatten der Krise steht in diesem denkwürdigen Jahr 2020 einer der prominentesten Jubilare dieses Jahres. Aber sein 250. Geburtstag wäre ja auch erst am 17. Dezember - die Rede ist von Ludwig van Beethoven, einem der bedeutendsten Musiker überhaupt. Geboren wurde der der Pianist und Komponist 1770 in Bonn. Berühmt war er zu seiner Zeit für sein virtuoses Klavierspiel, besonders seine Improvisationen. Eine Improvisation ist ein Geschenk des Augenblicks, flüchtig und vor der Zeit der Aufnahmetechnik nur im Schwärmen der Zeitgenossen für die Nachwelt zugänglich. Noch heute schwärmen Musikliebhaber und Musiker von Beethovens Musik - aber da geht es um seine Kompositionen, die die Jahrhunderte überdauert haben und immer neu interpretiert werden. Der Zeichner und Schöpfer der Peanuts - Charles M. Schulz - hat dem Komponisten und allen Fans in der Figur des Schröder ein humorvolles Denkmal gesetzt. Versunken in seiner Musik lässt er sich allenfalls mal zu einem tragischen Baseballspiel vor die Tür locken und widersteht allen Avancen der heillos in ihn verschossenen Lucy - die Musik ist seine Welt, und Beethoven ist ihr Prophet.
An dieser Stelle ist es Julius Lehmann, der dem Komponisten seine Referenz erweist. Und in diesem Jahr wirft das in besonderem Maße die Frage auf: Was ist eigentlich wichtig an einer Zeit? Ende 1770 war es v.a. die Familie, für die der Neugeborene wichtig war. Später hat er sich in den Herzen vieler Musik liebender Zeitgenossen eine Wichtigkeit erobert. Aber all das geht dahin mit der Generation, die jemanden aufmerksam wahrnimmt und ein wenig von ihm kennt. Vieles, was danach kommt, ist noch noch ein Destillat dessen, was er hinterlassen hat - vor allem Spuren auf Notenpapier in diesem Fall. Manches ist Projektion - man macht sich halt so ein Bild von dem, was war und wer dieser Mensch war. Akribisch - heißt es - habe er um jede Note gerungen. Und legendär ist sein Spätwerk, das er zunächst schwerhörig und schließlich taub geschaffen hat - erstaunlich und  bewundernswert. Es sind solche Geschichten, die bleiben. Und es sind Anhaltspunkte, die er der Nachwelt mit seinen Werken hinterlassen hat - Anhaltspunkte, die man sich immer wieder neu erobern kann und muss, die zur eigenen Perfektionierung motivieren und zum freien Spiel inspirieren. 
Was wird von diesem Jahr - 2020 - bleiben? Was ist tatsächlich wichtig? Das meiste von dem, was gerade um uns und mit uns geschieht, was dramatisch erscheint und für Aufregung sorgt, wird sich schon bald relativiert haben und vergessen sein. Auf manche Weichenstellungen werden kommende Generationen wohl mit Kopfschütteln zurückblicken, weil die Gleise, auf die wir da geraten sind, noch länger unseren Weg bestimmen werden. Aber in der Regel sind die vermeintlichen Wichtigkeiten einer Zeit allenfalls für Historiker von Interesse. Was sich im Rückblick als wirklich wichtig erweisen wird, können wir jetzt bestenfalls ahnen. Was für uns im Augenblick wichtig ist - das ist wie immer, den Kairos zu nutzen, ihn beim Schopf zu packen, wie den gleichnamigen griechischen Gott, den Gott der günstigen Gelegenheit. Beethoven hat das immer wieder getan. Und er hat uns dabei nur 250 Jahre voraus. Wir können ebenso aufmerksam werden für unsere Gottesgaben und dranbleiben - beharrlich, phantasievoll, mit Freude. Der Dank für dieses Gedenken und diese Anregung geht an Julius Lehmann!
MK

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